Sekundäre Pflanzenstoffe in der Rohkost

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Allgemeines

Während "primäre Pflanzenstoffe" wie Kohlenhydrate, Fette und Proteine sowohl am Energiestoffwechsel als auch an auf- und abbauenden Stoffwechselvorängen aller pflanzlichen Zellen beteiligt sind, werden "sekundäre Pflanzenstoffe" nur in speziellen Zelltypen der Pflanzen hergestellt und sind im allgemeinen nicht lebensnotwendig. Bis heute gibt es allerdings weder eine einheitliche Definition noch genaue Kriterien für die Unterscheidung der beiden Gruppen.

Sekundäre Pflanzenstoffe bestehen aus einer Fülle sehr unterschiedlicher Verbindungen. Sie dienen den Pflanzen unter anderem als Abwehrstoffe gegen Schädlinge und Krankheiten und als Wachstumsregulatoren. Als Duft- und Geschmacksstoffe beeinflussen sie die Nahrungsauswahl tierischer Lebewesen. Sie können sowohl gesundheitsfördernde wie auch gesundheitsschädigende Wirkung besitzen. Ob ein Stoff giftig wirkt oder nicht, hängt vom momentanen Bedarf des Organismuses ab und wird über den Mechanismus des Ernährungsinstinkts geregelt.

Übersicht

Gruppe Untergruppen Vertreter
Carotinoide Sauerstofffreie
Sauerstoffhaltige (Xanthophylle)
β-Carotin, Lycopin, α-Carotin
Lutein, Zeaxanthin, β-Cryptoxanthin
Phytosterine - β-Sitoserin
Saponine - Glycyrrhizin
Glukosinolate Nitrile
Thiocyanate
Isothiocyanate (="Senföle")
-
-
Indol-3-Carbinol
Polyphenole, Phenolsäuren Hydroxyzimtsäuren
Hydroxybenzoesäuren
Ferulasäure, Kaffeesäure
Gallussäure, Ellagsäure, Vanillinsäure
Polyphenole, Flavonoide Anthocyane
Proanthocyane
Flavanole
Flavanone
Flavone
Flavonole
Isoflavonoide
Lignane
Lignine
Malvidin, Cyanidin, Delphinidin
Tannine
Epicatechingallate, Epigallocatechin
Naringin, Hesperidin
Apigenin, Chrysin
Quercetin, Kaempferol
Genistein, Daidzein
Matairesinol
-
Terpene - Limonen, Carvon, Carvacrol
Phytoöstrogene Isoflavonoide
Lignane
Genistein, Daidzein
-
Sulfide - Allicin, Ajoen
Sonstige - Phytinsäure

Tabelle modifiziert nach Koula-Jenik u.a.: "Leitfaden der Ernährungsmedizin".

Struktur, Eigenschaften und Vorkommen einzelner Gruppen

Carotinoide

Strukturformel von β-Carotin

Carotinoide sind in in Pflanzen weitverbreitete, fettlösliche Farbpigmente. Derzeit (Stand 2012) sind ca. 800 verschiedene Arten von Carotinoiden bekannt. Sie sind für die gelbe, orange, rote oder violette Farbe vieler Früchte und Gemüsesorten bekannt.

  • Struktur: Carotinoide sind Tetraterpene, die aus acht Isoprenoid-Einheiten aufgebaut sind. Sie lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: die sauerstofffreien, wie β-Carotin und Lycopin und sauerstoffhaltige, wie β-Cryptoxanthin und Lutein.
  • Eigenschaften: Als Vorstufen von Vitamin A üben sie eine wichtige Rolle beim Aufbau und der Funktion von Haut und Schleimhäuten aus und sind an Funktionen wie dem Sehprozess und der Embryonalentwicklung beteiligt. Sie schützen die Zellen vor hochreaktivem Singulett-Sauerstoff und wirken als Fänger freier Radikale. Des Weiteren sind sie an der Aktivierung von Genen beteiligt, die die Produktion eines Proteins steuern, das Bestandteil von Zellkommunikationsstrukturen ist.
  • Vorkommen: Sauerstofffreie Carotinoide sind vor allem in allen gelb-orangefarbenen, sauerstoffhaltige dagegen in grünblättrigen Gemüsesorten enthalten.

Phytosterine

  • Struktur: Phytosterine sind Substanzen mit cholesterinähnlicher Struktur. Sie unterscheiden sich vom tierischen Cholesterin durch eine zusätzliche Methyl- oder Ethyl-Seitengruppe.
  • Eigenschaften: Sie hemmen die Cholesterinabsorbtion im Darm und die Bildung von sekundären Gallensäuren.
  • Vorkommen: Phytosterine sind hauptsächlich in fettreichen Pflanzenteilen enthalten. Einen besonders hohen Gehalt besitzen Sonnenblumenkerne und Sesamsamen.

Saponine

Saponine sind bitter schmeckende, oberflächenaktive Verbindungen.

  • Struktur: Saponine sind aus einem Zuckerrest, das mit einem Steroid oder Triterpenoid verbunden ist, aufgebaut.
  • Eigenschaften: Sie wirken hauptsächlich im Darm, in dem sie mit Cholesterin und primären Gallensäuren unlösbare Komplexe bilden. Außerdem wurde eine immunstimulierende, antimikrobielle und entzündungshemmende Wirkung nachgewiesen.
  • Vorkommen: Saponine sind in pflanzlichen Lebensmitteln weit verbreitet und kommen besonders in Hülsenfrüchten vor.

Glukosinolate

Es werden ca. 120 verschiedene Arten unterschieden.

  • Struktur: Glukosinolate bestehen aus Glukose, einer schwefelhaltigen Gruppe mit einem Aglukon-Rest sowie einer Sulfatgruppe.
  • Eigenschaften: Glukosinolate besitzen vor allem antimikrobielle Eigenschaften.
  • Vorkommen: Sie kommen vor allem in der Pflanzenfamilie der Kreuzblütler vor und sind für deren typischen, scharfen Geschmack verantwortlich.

Polyphenole

Strukturformel von Phenol

Polyphenole gehören zu den am weitesten verbreiteten sekundären Pflanzenstoffen und kommen vor allem in den Randschichten der Pflanzen vor.

  • Struktur: Unter dem Begriff Polyphenole werden Substanzen zusammengefasst, die auf der Struktur des Phenols basieren. Dies sind vor allem die Phenolsäuren (Kaffee- und Ferulasäure sowie Ellagsäure) und der Flavonoide.
  • Eigenschaften: Sie schützen als Antioxidantien die Zellen gegenüber freien Radikalen.
  • Vorkommen: Phenolsäuren sind in verschiedenen Kohlsorten, Radieschen, aber auch Walnüssen und Trauben vorhanden.

Phytoöstrogene

Phytoöstrogene sind mit den steroidalen Östrogenen des Menschen strukturverwandt.

  • Struktur: Sie zählen chemisch zu den Polyphenolen, werden jedoch aufgrund ihrer spezifischen Wirkung als eigenständige Gruppe aufgeführt.
  • Eigenschaften: Aufgrund ihrer hormonähnlichen Struktur können sie eine antiöstrogene Wirkung entfalten.
  • Vorkommen: Sie sind u.a. in Sesam, Walnüssen und verschiedenen Gemüsesorten enthalten.

Sulfide

  • Struktur: Sulfide sind flüchtige schwefelhaltige Substanzen.
  • Eigenschaften: Sie wirken stark antimikrobiell, besitzen verdauungsfördernde, antioxidative und immunstimulierende Wirkungen.
  • Vorkommen: Sie kommen vor allem in Liliengewächsen wie Zwiebeln, Lauch und Knoblauch vor.

Tipps für die Rohkost-Praxis

Sekundären Pflanzenstoffen werden eine Vielzahl von gesundheitsfördernden Eigenschaften zugeschrieben, die bis heute (2012) nur ansatzweise bekannt bzw. erforscht sind. Mit einer breiten Auswahl an verschiedenen pflanzlichen Lebensmitteln können diese Eigenschaften aber mit Hilfe des Ernährungsinstinkts auch ohne Hintergrundwissen genutzt werden. Ursprünglichen und wild wachsenden Pflanzen und ihren Früchten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Bei der Auswahl kann man sich nicht nur durch Geschmacks- und Geruchssinn leiten lassen, sondern auch durch den Sehsinn. Viele der sekundären Pflanzenstoffe kommen in den äußeren Schichten der Pflanzen bzw. ihrer Früchte vor und sind für deren optische Erscheinung verantwortlich. Früchte sollten deshalb soweit wie möglich mit ihrer Schale verzehrt werden. Dieses Vorgehen sorgt nicht nur für eine optimale Versorgung mit sekundären Pflanzenstoffen, sondern schützt auch vor einer möglichen Überlastung mit Kohlenhydraten und anderen Nährstoffen.

Mit Hilfe des Ernährungsinstinkts werden aber auch gesundheitsschädliche Pflanzenstoffe erkannt. Lebensmittel, die Substanzen enthalten, die zum Zeitpunkt des Verzehrs nicht benötigt werden und daher giftig wirken, wenn man sie trotzdem verzehrt, schmecken bitter oder wirken adstringierend: Die instinktive Sperre schützt den Körper vor einer Zufuhr nicht benötigter Stoffe. Dieser Schutz funktioniert jedoch auschließlich mit rohen, einzeln verzehrten Lebensmitteln. Durch die Verarbeitung verschiedener Pflanzen in "Smoothies" oder anderen "Rohkost-Gerichten" wird die instinktive Sperre außer Kraft gesetzt. Für den Körper toxische Stoffe aus grünen Pflanzen werden durch das Mischen mit süßen Früchten maskiert. Werden solche Zubereitungen über einen längeren Zeitraum konsumiert, kann dies zu schwerwiegenden Gesundheitsstörungen führen.

Literatur

Bernhard Watzl und Claus Leitzmann: Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln.
Hippokrates, 3. Auflage 2005, 254 Seiten. ISBN 3-830-45308-6
Heide Koula-Jenik, Michael Miko, Matthias Kraft und Ralf-Joachim Schulz: Leitfaden Ernährungsmedizin.
Urban & Fischer Verlag, 1. Auflage 2005, 896 Seiten. ISBN 3-437-56530-3