Bericht: Mein Weg zur Rohkost

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Autor: Sonnenkind, Juli 2022


Hier kommt mein ganz persönlicher Weg, der mich zur Rohkost geführt hat. Da ich gerne eine ganzheitliche, möglichst nachvollziehbare Darstellung dieses Weges anbieten möchte, werde ich mit den ernährungsbezogenen Erfahrungen meiner Kindheit beginnen:

Kindheit

Seit ich mich erinnern kann, aß ich zwar gerne, aber immer mit "Nebenwirkungen". Schon früh war für mich die Nahrungsaufnahme mit einem anschließenden Völlegefühl, einem Blähbauch und Bauchschmerzen verbunden. Auch der Gang auf die Toilette war oft schmerzhaft. Ernährt wurde ich mit "normaler" Kost. Zum Frühstück gab es Joghurt, Müsli, Brot, Marmelade, Käse und die obligatorische Tasse Vollmilch, die mir im Laufe der Jahre immer mehr Probleme bereiten sollte. Das Mittagessen bestand klassisch aus Gemüse, Kartoffeln/Nudeln/Reis und Fleisch/Fisch/Eiern. Zum Abendessen gab es Brot mit Aufschnitt.

Zwischendurch bekam ich Obst, rohes Gemüse, mal ein Schokolädchen, eine Brezel oder Kekse. Schon früh begann ich instinktiv mein Essen zu trennen. Das heißt, ich aß zum Beispiel zuerst das Gemüse, dann den Reis, dann den Fisch. Ich trennte sogar die Tomatensoße von den Spaghetti. Meinen "Mitessern" missfiel das meist, ich tat es trotzdem. Es wurde auch viel Apfelschorle bei uns getrunken und auch hier merkte ich schnell, dass es wirklich keine gute Idee war, mein Essen mit dieser herunterzuspülen. Dazu hatte ich ein Schlüsselerlebnis bei einer Freundin: Hier war ich zu Besuch und es wurden Nussschnecken und ein Mandarinen-Frischkäsekuchen gemeinsam mit Sahnekakao und Apfelschorle serviert. Das alles wurde gemeinsam und durcheinander in "einem Rutsch" konsumiert. In meinem Bauch herrschte danach ein Zustand wie in einem Blitzkrieg. Ich litt unter massiven Koliken und unerträglichen Krämpfen sowie einem Säurereflux, bei dem sich mein gesamter Brustkorb und die Atemmuskulatur dermaßen verspannten und verkrampften, das ich kaum mehr atmen konnte. Ich lernte so immer mehr, dass Essen einen deutlichen Einfluss auf meine körperliche und auch geistige Verfassung hat. Allerdings geschah das lange Zeit nur unterbewusst

Für mich war es damals normal, nach jedem Essen erst einmal die Hose zu öffnen, um meinem mit Luft gefüllten, aufgetriebenen Bauch Platz zu machen. Diese Zustände wurden mit den Jahren schlimmer, da mein Körper vor allem Getreide und Milchprodukte immer weniger tolerierte. Ab dem Alter von neun Jahren wurde vor allem das Frühstück zur Tortur. Haferflocken und eine ganze Tasse lauwarmer Milch lösten bei mir etwa zwanzig Minuten nach dem Essen regelrechte Koliken aus. Ich hatte damals allerdings zu wenig Erfahrung und Wissen, um diesen Zusammenhang herzustellen.

Im Alter von zehn Jahren, kurz bevor ich aufs Gymnasium wechselte, verbrachten wir den Sommerurlaub im sehr heißen Rhodos, wo ich sehr viel griechisches Essen konsumierte, das mit reichlich Knoblauch, Olivenöl, Blätterteig, Schafskäse und Zwiebeln zubereitet wurde. Morgens gab es dicken griechischen Joghurt mit einem weißen Berg grobkörnigen Zucker obenauf, dazu wieder die verhängnisvolle Tasse Vollmilch. Ich sollte meine Tage in diesem Urlaub mit einer täglichen strapaziösen "Pilgerreise" vom zwei Kilometer entfernten Strand zu unser Ferienwohnung verbringen, da mich am Strand, zu dem wir nach dem Frühstück aufbrachen, jeden Tag grauenhafte Bauchkrämpfe überfielen. So musste ich mir die Ferienwohnungsschlüssel schnappen und den Weg durch 40 Grad flirrende Hitze mit krampfartigen Bauchschmerzen so schnell wie möglich bewältigen, um rechtzeitig auf die Toilette zu gelangen. Die Schmerzen fühlten sich an, wie glühende Messer, die sich durch meine Eingeweide bohrten. Ich war damals als zehnjähriger Junge wirklich verzweifelt, da ich keine Ahnung hatte, woher diese Schmerzen kamen. Ich war nicht in der Lage, einen Zusammenhang zwischen meiner Ernährung und dieser Reaktion herzustellen.

Erste Ausschlüsse und Vegetarismus, 10 bis 15 Jahre

Mit zehn Jahren, nach dem Griechenlandurlaub, wechselte ich aufs Gymnasium. Da ich sehr viele Nahrungsmittel konsumierte, die meinen Magen-Darm Trakt massiv beeinträchtigten, hatte ich mittlerweile jeden Tag mehrere Anfälle von Magenkrämpfen und Darmkoliken. Die Lebensmittelgruppen, die mir derart zusetzten, waren Milch- und Getreideprodukte sowie raffinierter Zucker. In unserer Familie wurden keine Fertigprodukte und Süßigkeiten nur in sehr geringen Maßen verzehrt.

Regelmäßig nach dem Frühstück (Müsli/Haferflocken mit Joghurt/Milch, dazu eine Tasse Vollmilch und eine Banane) landete ich im Bad, wo ich all meine Kleider auszog und mich nackt und völlig erhitzt vor Schmerzen auf den kalten Fließenboden legte, um meine Qualen auf diese Weise etwas zu lindern.

Ich ließ mich regelmäßig vom Unterricht befreien, da ich auch dort krampfartige Anfälle von Magen-Darmkoliken bekam und mich hinlegen musste. Meine Mutter ging mit mir zum Arzt, der mir einen "nervösen" Magen und ein "Reizdarmsyndrom" attestierte. Ich war verzweifelt und hatte mittlerweile eine schreckliche Angst vor den Bauschmerzen entwickelt, die für mich damals immer noch aus heiterem Himmel über mich hereinbrachen.

In dieser Zeit begann ich eine Aversion gegen Milch zu entwickeln. Mir wurde einfach dermaßen übel von diesem Getränk, dass ich es morgens kaum mehr herunterbekam. Mein Körper erzeugte beim Trinken einen Würgereiz. Das war ein Problem, denn damals herrschte die Meinung, Milch sei unabdingbar für die Gesundheit, für starke Knochen, Calciumversorgung usw. Meine Mutter wollte also unbedingt, dass ich die Milch trank. Auch die Banane, die ich damals immer essen sollte (wegen meinen Darmproblemen) bekam ich kaum runter. Auch hier bekam ich einen Würgereiz. Irgendwann konnte ich meinen Willen durchsetzen und verzichtete fortan beim Frühstück auf Milch und Banane und - siehe da - ich fühlte mich "irgendwie" besser. Auch meine Bauchkrämpfe waren nicht mehr gar so schlimm.

Mit Beginn der Pubertät (etwa mit vierzehn Jahren) rutschte ich in eine für dieses Alter nicht untypische Identitätskrise und begann, alles zu hinterfragen, so auch meine Ernährung und meinen Konsum. Aus ethischen Gründen wendete ich mich immer mehr dem Vegetarismus zu, mit einer Tendenz zum Veganismus. Dies führte ebenfalls dazu, dass sich meine völlig gereizte und entzündete Verdauung immer mehr beruhigte, da ich mit dem Verzicht auf Fleisch auch gleichzeitig diverse Soßen und Milchprodukte mied. Gleichzeitig verzichtete ich auch immer mehr auf Brot, da ich das noch nie hatte leiden können. Im Kontext jugendlicher Rebellion kam es mir da sehr gelegen, gegen den mir aufoktrojierten Brotkonsum aufzubegehren. Auch dies führte dazu, dass meine Verdauung sich beruhigte.

Veganismus, 15 bis 17 Jahre

Zwischen 15 und 16 Jahren wendete ich mich immer mehr der veganen Ernährungsweise zu, da ich einfach merkte, wie viel leichter sich meine Verdauung damit tat. Diese Ernährung beinhaltete sehr viel Obst und Gemüse und da ich noch nie ein Freund von Kochen war, gab es dies vor allem in roher Form. Darunter fanden sich Äpfel, Pfirsiche, Nektarinen, Bananen, Kirschen, Erdbeeren, Weintrauben, Karotten, Butternusskürbis und Hokkaidokürbis. An besonderen Tagen gab es mal eine Mango oder Papaya. Ich aß meist saisonales und regionales Obst und Gemüse, einfach, weil es am besten schmeckte und ich sehr gerne auf den umliegenden Bauernhöfen einkaufte. Gekocht wurden bei mir Kartoffeln, Blumenkohl, Auberginen, Brokkoli und Kartoffeln. Eines meiner damaligen Lieblingsgerichte war gekochte Pellkartoffeln (die ich mit Schale verzehrte), gemischt mit Bananen und Currypulver.

Zudem kochte ich mir häufig einen Brei aus Kamut, den ich als Monomahlzeit einnahm. Schon damals lag der Schwerpunkt der Nahrungsaufnahme in den Abendstunden, da ich mich damit viel besser fühlte: Ich hatte so tagsüber viel mehr Energie, fühlte mich leicht und wach. Meine Ernährung wurde noch durch etwa 100 Gramm Walnüsse täglich ergänzt, die mir als Fettquelle dienten. Ich hatte in dieser Zeit immer wieder Perioden, in denen ich auch gar keine Fette aß, dies fühlte sich für mich aber nicht gut an. Ich fühlte mich dann unausgeglichen und "dünnhäutug", konnte nicht richtig schlafen und empfand mich als weinerlich, melancholisch und sentimental.

Diese Art der Ernährung beruhigte meine Verdauung sehr, der "Reizdarm" war passé und ich genoss eine völlig neue Art von Leichtigkeit, Energie und der Fähigkeit, den Moment zu genießen. War ich vorher schon sehr reizsensibel gewesen, so verfeinerten sich meine Sinne noch einmal und meine Toleranz für Reizüberflutung sank noch weiter. So verbrachte ich meine Zeit am liebsten draußen in der Natur in Bewegung, mit Yoga, Meditation oder einer guten Lektüre. Ich war sehr glücklich, vor allem darüber, dass die grauenhaften Darmbeschwerden sich verabschiedet hatten.

Roh-vegane Kost, 17 bis 22 Jahre

Vor allem aus Faulheit und Unlust zu kochen "rutschte" ich immer mehr in die roh-vegane Ernährungsweise hinein. Jedenfalls erschienen mir dies die bewussten Gründe zu sein. Gleichzeitig fühlte ich mich aber auch einfach so viel leichter, mental klarer und allgemein unbeschwerter ohne Gekochtes. Damit fiel automatisch mein Getreide- und Kartoffelkonsum weg und ich vermischte auch immer weniger Lebensmittel miteinander.

Meine Kost bestand zu großen Teilen und abhängig von ihrer saisonalen Verfügbarkeit aus Bananen, Trauben, Pflaumen, Äpfeln, Nektarinen, Aprikosen, Pfirsichen, Kirschen, Karotten, Fenchel, Kohlrabi, Butternusskürbis, Hokkaidokürbis und Topinambur. Ab und an gönnte ich mir Mangos und Papayas. Da diese Ernährung sehr kalorienarm war, merkte ich schon bald, dass ich davon einfach nicht satt wurde. So gab es dann oft abends nochmal zusätzlich ein Glas Honig oder selbst gesammelte Walnüsse/Haselnüsse, wenn diese gerade verfügbar waren.

Ich war mit dieser Ernährung sehr zufrieden und vor allem umfassend befriedigt. Ich freute mich auf jede Mahlzeit und meine Verdauungsbeschwerden gehörten vollständig der Vergangenheit an. Das machte mich sehr glücklich. Oft sammelte ich auf meinen Fahrradtouren Fallobst, das mir begegnete, da es mir stets am besten mundete. So durfte ich so manch himmlisches Erlebnis mit halb angetrockneten, von der Sonne aufgeladenen Zwetschgen (Pflaumen) erfahren, die dermaßen süß, schwer und reichhaltig schmeckten, dass ich mich wie im Garten Eden fühlte. Auch wurmstichige Äpfel, die schon weich, sämig und zuckersüß am Boden herumlagen, bekamen mir besonders gut. Auch entdeckte ich eine Vorliebe für besonders weiche Karotten, die gerne schon faltig und leicht braun sein durften. All diese vollreifen Lebensmittel bekamen mir besonders gut.

Ich versuchte mich auch an Trockenfrüchten, wie Datteln, Aprikosen, Rosinen und Feigen. Diese bereiteten mir stets Magenkrämpfe und massive Blähungen und so ließ ich die Finger davon. Auch mit Nüssen wurde ich nicht warm. Nur meine vom Wegesrand aufgelesenen konnte ich problemlos verzehren. Andere Nüsse bereiteten mir nicht nur Verdauungsprobleme, sondern machten mir regelrecht Depressionen und schlechte Laune.

Mit der Zeit spürte ich aber leider immer mehr, dass mir etwas fehlte. Ich liebte und genoss mein Essen, aber am Ende des Tages fühlte ich mich einfach nicht mehr befriedigt. Ich wurde aus einer subjektiven Perspektive heraus einfach nicht satt und zufrieden. Da war immer eine gefühlte Lücke, die ich nicht füllen konnte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, mental immer angreifbarer zu werden. Ich fühlte mich auf eine unangenehme Art dünnhäutig und nicht belastbar, war oft weinerlich, sentimental und melancholisch.

Nachdem ich diesen Zustand nicht mehr länger aushielt, begann ich zu experimentieren. Das Glas Honig am Abend wurde zur Gewohnheit, aber auch das befriedigte mich nicht mehr. So begann ein exotisch anmutendes Herumprobieren mit verschiedenen Nahrungsmitteln, von denen ich mir zumindest einredete, dass sie roh-vegan seien. Unter anderem testete ich Maronenmehl (das ich mit Wasser anrührte und als Paste verzehrte, davon bekam ich die schlimmsten Blähungen meines Lebens), Cashewkerne (massive Kreislauprobleme: Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern, Blutdruckabfall), große Mengen an rohen Maiskolben, gekeimte Saaten, frische Algen, Oliven, Avocados und Erdmandeln. All dies waren sehr viel energiedichtere und teilweise nährstoffreiche Lebensmittel und trotzdem konnten sie alle mich nicht befriedigen.

Ich war mittlerweile etwas ratlos geworden und begann, im Internet zu recherchieren. Dort stieß ich bereits nach kurzer Zeit auf das Rohkost-Wiki und das Rohkost-Tagebuch und verschlang all die dort bereitgestellten Informationen mit großem Interesse. Obwohl sich mein Gefühl noch dagegen wehrte, war meinem Verstand ziemlich bald klar, dass die dort bereitgestellten Informationen sehr logisch und schlüssig klangen. Trotzdem hielt ich noch längere Zeit vehement an meiner roh-veganen Ernährung fest.

Roh-omnivore Kost, 22 bis 24 Jahre

Zunächst möchte ich auf meine körperlichen, geistigen und emotionalen Symptome eingehen, die mir immer mehr aufzeigten, dass mein Weg der roh-veganen Kost nicht weiter gangbar für mich war:

Körperliche Symptome:

  • Zähne: schmerzende Zähne, Verfärbungen, Beläge
  • Haut: Unreinheiten, wunde, nässende Stellen an Finger- und Zehenoberseiten, Pickel in Gesicht, an den Oberarmen und am "Dekolletee", sehr trockene Haut, Juckreiz und Kribbeln an Handflächen und Fußsohlen
  • Statur: Abmagerung, Muskelabbau
  • Gesicht: eingesunkene Augen, gerötete Wangen, Aufgedunsenheit

Geistige Symptome:

  • Schwierigkeiten Ein- und Durchzuschlafen
  • Fahrigkeit, Konzentrationsprobleme, Nervosität

Emotionale Symptome:

  • Stimmungsschwankungen, Depressionen, Gereiztheit, Überempfindlichkeit, Traurigkeit, Melancholie, Sentimentalität

Über all dem stand aber vor allem das permanente Gefühl des Unbefriedigtseins und des "Nie-Sattwerdens". Ich versuchte dies mit einem Überkonsum verschiedenster Früchte zu kompensieren, was zu weiteren Symptomen und Überlastungsreaktionen führte. So verdrückte ich bergeweise (keine Übertreibung) Tomaten und Paprika oder Karotten. Diese Massen an Tomaten und Paprika führten beispielsweise zu Herzrasen, Zittern und einem massiven, elektrisch anmutendem Jucken und Kribbeln an Handinnenflächen und Fußsohlen. Der Überkonsum an Karotten machte mich launisch und weinerlich.

Auch meine Verdauung begann zu leiden. Ich sah mich mit einem permanenten Blähbauch und Durchfällen konfrontiert. Leider war ich zum damaligen Zeitpunkt mit meinem Latein am Ende, da für mich eine Ernährung tierischen Ursprungs nicht in Frage kam. So stopfte ich weiter Grünzeug, Karotten, Früchte usw. in mich hinein, in der irrigen Hoffnung, das Problem würde sich "irgendwie von selbst" lösen. Tat es dann auch.

Eines Abends, immer schon die Tageszeit, zu der ich meine Mahlzeiten einnahm, stand ich wieder vor meinem Berg Karotten und Wildkräutern, die ich nacheinander zu mir nehmen wollte. Aber es ging nicht. In mir war alles blockiert. Ich wollte dieses Essen nicht zum Mund führen. Wie fremdgesteuert rannte ich aus dem Haus und schwang mich auf mein Fahrrad. Es war wie Schlafwandeln. Ich radelte zum nächsten Bioladen und kaufte ein Stück Rohmilchbutter und 150 g Rohmilchziegenkäse. Alles lief wie in Trance ab. Noch zehn Minuten vorher hatte ich keinerlei Vorstellung von dieser Handlung gehabt. Wieder zuhause aß ich die Butter zusammen mit dem Käse im Stehen aus der Verpackung.

Zum ersten Mal seit langer Zeit "arbeitete" ich mich nicht "durch das Essen durch", sondern es rutschte einfach von ganz alleine und in meinem ganzen Körper breitete sich sofort, ohne Verzögerung, eine unbeschreibliche Erleichterung und Befriedigung aus. Mein Bauch war weder voll noch gedehnt. Meine Nahrungsmenge betrug allerhöchstens 250 g insgesamt und doch war ich so unglaublich satt und zufrieden wie seit Langem nicht mehr.

Gleichzeitig hatte ich das verrückte und beglückende Gefühl, in meinem Gehirn "gingen die Lichter an". Plötzlich war da ein Fokus, eine Schärfe des Geistes, eine Konzentration, auf das, was in diesem Moment war. Ich fühlte mich wie ein Luchs, wie ein Raubtier. Geschärfte Sinne. Völlig da. In mir breitete sich eine wohlige Wärme aus, ein Gefühl von Leichtigkeit, ein Einssein mit mir, mit dem Augenblick. Ich fühlte mich geerdet, verbunden, völlig ruhig. All diese Eindrücke, gepaart mit dem Erlebnis des "Kontrollverlustes" waren sehr heftig und überraschend für mich. Doch ich war so dankbar für all die positiven Empfindungen, dass ich es einfach geschehen ließ und es genoss.

In den darauffolgenden Tagen "pilgerte" ich täglich zum Bioladen und kaufte mir jedes Mal denselben Ziegenkäse und die Rohmilchbutter, um diese abends genüsslich zu verspeisen. Dies blieb über Wochen meine einzige Mahlzeit, die mich voll und ganz befriedigte. Meine Haut heilte innerhalb weniger Tage, der Bauch wurde flach und die Verdauung beruhigte sich. Ich hinterfragte mein Essverhalten nicht, ich ließ es einfach geschehen. Zu glücklich war ich über meinen körperlichen und geistigen Zustand.

Nach einigen Wochen spürte ich, dass mir der Käse über war. Zudem bekam ich auf lange Sicht Verstopfung davon, trotz der Butter, die ich stets dazu aß. Da mich die Vorstellung, Tiere zu essen, immer noch abschreckte, beschloss ich, es mit Eiern zu versuchen. So ernährte ich mich längere Zeit von 12 Eiern, die ich in eine Schüssel schlug und verquirrlte. Dazu gab es Rohmilchbutter. Etwa ein halbes Jahr lang aß ich überhaupt keine pflanzlichen Lebensmittel mehr, da ich sie einfach nicht runterbekam. Erst als mir auch die Eier über wurden, machte ich mich wieder an meine zuvor so heiß geliebten Tomaten, Paprika und Karotten. Ich versuchte mich auch an Äpfeln und Trauben, musste aber feststellen, dass ich nicht nur keinen Bedarf daran hatte, sondern sogar Magenkrämpfe und eine juckende, brennende Mundhöhle davon bekam.

Als ich die Eier absolut nicht mehr sehen konnte und auch Käse für mich keine Option mehr war, versuchte ich mich wieder der veganen Rohkost zuzuwenden. Erfolglos. Ich hatte keine Chance. Etwas in mir schrie immer lauter nach Fleisch bzw. nach Fisch.

Roh-carnivore Kost, 24 bis 26 Jahre

Immer wieder ließ mir mein Körper deutliche Signale zukommen, dass es nun an der Zeit war, mich an den Fisch heranzuwagen. Überall fiel mir der Fisch auf: in Werbeanzeigen, Supermärkten und in Schilderungen von Fischmahlzeiten in Büchern, die ich las. Ich träumte sogar davon, wie ich eine knusprig gegrillte Forelle aus einer Alufolie an einem Lagerfeuer verspeiste.

Auf dem Heimweg von der Arbeit radelte ich eines Tages einen Umweg und kam dabei an einem mir bisher völlig unbekannten kleinen Geschäft vorbei. "Frische Karpfen. Eigene Haltung" stand dort auf einem Schild. Nachdem ich erst daran vorbei gefahren war, machte ich mir ein paar Meter weiter die ersten Gedanken. Soll ich? Soll ich nicht? Karpfen waren bisher nicht gerade meine Leibspeise gewesen. Ich hatte sie immer als speckig und schleimig im Mund empfunden. Dann lief wieder alles ziemlich automatisch ab. Ich machte eine Vollbremsung und eine Kehrtwende und eh ich es mir versah, stand ich schon im Geschäft. Ein Mann in einer Schürze stand hinter dem Tresen und begrüßte mich. Gemeinsam betraten wir ein Hinterzimmer mit großen Karpfenbassins, in denen ich mir einen der dort putzmunter herumschwimmenden Gesellen aussuchte. Dieser wurde dann frisch geschlachtet und ausgenommen. Mit meiner "Beute" radelte ich nach Hause und nahm dort die erste (gekochte) Fischmahlzeit ein.

Es war paradiesisch. Das Fleisch des Fisches zerschmolz mir zart und buttrig auf der Zunge und ich spürte, wie sich mein ganzer Körper vollkommen entspannte und die Nahrung geradezu aufsaugte. Ich war völlig mit diesem Moment verschmolzen. Ich fühlte mich wie ein Verdurstender, der endlich auf eine Wasserquelle gestoßen war. Die Nacht war dann allerdings weniger paradiesisch. Der Fisch lag mir ziemlich schwer im Magen und ich träumte allerlei Verrücktes. Am nächsten Morgen fühlte ich mich schwer und aufgedunsen. Ich vermutete zwei Faktoren für diesen Zustand: In meinem Verlangen und aufgrund der gekochten Zubereitung hatte ich vermutlich einfach zu viel gegessen und zudem lag mir das Gekochte im Magen quer. Ich spürte das auch deutlich an meiner gedrückten, benebelten, irgendwie von der Welt abgeschnittenen Stimmung.

So war mir klar, dass ich als Nächstes rohen Fisch wollte, und zwar Lachs! Aber ich hatte einen Heidenrespekt davor. Ich hatte keine Ahnung, wo ich vertrauenswürdige Bezugsquellen finden konnte. Deswegen verlagerte ich mich zunächst auf rohes Fleisch und zwar in Form von Tatar. Das war ganz offiziell zum Rohverzehr gedacht und schon bald hatte ich mir einen Lieblingsmetzger auserkoren, der mir zudem fast kostenlos Abschnitte rohen Specks "hinterherwarf", die ich gemeinsam mit dem ansonsten viel zu mageren Tatar verspeisen konnte. Es war ein Hochgenuss! Die Möglichkeit, meine Anteile an Fett und Protein zu variieren war wunderbar, so konnte ich ganz nach den Bedürfnissen meines Körpers speisen. Meist aß ich allerdings einen sehr sehr hohen Fettanteil (350 bis 450 g Speck) und einen eher niedrigen Proteinanteil (etwa 250 g Tatar, was ungefähr 50 bis 60 g Protein entspricht). Damit fühlte ich mich mental und körperlich am wohlsten. Ich hatte unglaublich viel Energie, bewegte mich noch mehr als sonst, benötigte wenig Schlaf, schlief jede Nacht wie ein Löwenbaby, war stets konzentriert, fokussiert und sehr sehr ausgeglichen. Ich verspürte den ganzen Tag über einen konstanten Strom an Energie, ohne irgendwelche Einbrüche von Müdigkeit, Unkonzentriertheit oder Launigkeit.

Nach etwa einem Jahr kaufte ich mir an der Fischtheke eine frische Makrele, die zwar ausgenommen, aber nicht filettiert war. Es war mein erster roher Fisch und ein Festmahl, allerdings auch eine echte Geduldsprobe für mich als sehr, sehr ungeduldigen Menschen: Die zahlreichen Gräten, die mir immer wieder das köstliche, zarte Fleisch verwehren wollten, verlangten mir sehr viel Geduld ab. Aber es lohnte sich. Und nachdem ich nach diesem Rohverzehr keinen qualvollen Tod gestorben war, wagte ich mich an weitere rohe Fische, darunter Sardinen, Heringe und auch Wildlachs. Bei den Sardinen, die nicht ausgenommen waren, machte ich das erste Mal Bekanntschaft mit der Galle, auf die ich biss und die mir den gesamten Fisch verdarb. Etwa 20 Minuten spülte ich mir anschließend den Mund mit Wasser aus. Auch wieder eine interessante Erfahrung. Bei allen Fischen aß ich am liebsten den Kopf und dort vor allem Augen und Hirn. Saftig, hydrierend, frisch und ganz leicht süßlich. Ein Hochgenuss. Zudem fühlte es sich beim Verzehr dieser Körperkompinenten stets so an, als wäre die Sonne in meinem Kopf aufgegangen, gleißend hell und strahlend. Meine Stimmung schoss stets auf ihren absoluten Hochpunkt und ich fühlte mich geradezu high. Dabei aber völlig klar im Kopf, mit einem superscharfen Verstand, völlig geerdet, in mir ruhend, im Flow, gelassen, einfach rundum wohl und zufrieden.

Ausblick

Dieser Zustand, des natürlichen Highs, das Gefühl grenzenlosen Fließens, ruhiger, gleichmäßiger Zufriedenheit, wurde mir mit der carnivoren, rohen Ernährung immer öfter geschenkt. Ich fühlte mich wie ein kleiner Zen Mönch. Meine Verbundenheit zur Natur, zu mir selbst und zur Ruhe, zum Moment wurde noch stärker, die Freude an Bewegung, innerem Wachstum und Achtsamkeit ein nun fast täglicher Begleiter. Körperlich war ich all meine Allergien losgeworden, meine Verdauung lief völlig ruhig und gleichmäßig, ich hatte klare, reine Haut, strahlende Augen, kräftige Fingernägel und eine gute Muskelstruktur.